Wisst ihr.
Manchmal tut es weh.
Ich wohne bereits fünf Jahre in Dresden. In der Zeit habe ich mich entwickelt. Viel gelernt. Ein Studium angefangen, mich durchgeboxt und es erfolgreich beendet. Gelernt auf eigenen Beinen zu stehen. Zu Arbeiten begonnen. Ein Unternehmen gegründet. Wir sind in unsere erste und nun in die zweite gemeinsame Wohnung gezogen. Haben uns vergrößert. Sind zusammen gewachsen. Haben unsere Kindheit hinter uns gelassen und - auch wenn es kitschig klingt - sind erwachsen geworden. In unseren Freundeskreisen gibt es erste Hochzeitspaare und Kinder. Und es fühlt sich so richtig an.
Und manchmal denke ich an die Zeit in der Heimat zurück. Als ich noch zuhause bei meinen Eltern gewohnt habe. Wie der Lieblingsmensch und ich uns nur ein paar Mal die Woche gesehen haben. Wie wir unsere Zukunft geplant haben. Angst und Respekt vor dem Umzug hatten. Dem Neuen. Unsere Fehler und unser Glück. Wie naiv wir waren. Über welche Kleinigkeiten wir uns gestritten haben. Wie gut wir es hatten. Bei unseren Familien zu wohnen. Immer einen vollen Kühlschrank hatten. Keine Miete bezahlen mussten.
Und dass es bei mir damals tatsächlich noch eine intakte Familie gab. Wisst ihr, meine Eltern haben sich vor ein paar Jahren getrennt. Zu dem Zeitpunkt steckte ich gerade mitten im Studium.
Meine Schwester und ich sind beide erwachsen und ich glaube wir sind ziemlich gut mit der Situation umgegangen. Haben beide Elternteile unterstützt. Und mittlerweile ist schon einige Zeit ins Land gezogen, in der wir uns an die neuen Umstände gewöhnt und uns arrangiert haben.
Aber. Wisst ihr. Manchmal tut es eben weh. Das Alte loszulassen. Das Vertraute zu entbehren.
Manchmal träume ich noch von unserem Haus und davon, wie ich die Treppe von meinem Zimmer ins Erdgeschoss herunter steige. Zu wissen, dass meine Mama in der Küche das Essen vorbereitet und mein Papa im Garten werkelt.
Und ich vermisse meinen Wald. Die Gerüche, die bekannten Pfade. Die Möglichkeit aus dem Haus zu gehen und praktisch gleich im Nirgendwo zu sein.
Seit der Trennung gestalten sich Familienfeste stets als etwas schwierig. Der Lieblingsmensch und ich fahren fast die ganze Zeit im Auto umher, um allen gerecht zu werden. Alle einmal zu sehen. Mit allen Zeit verbringen zu können. Es ist ein Balanceakt. Und das zieht Kraft und Energie.
Versteht mich nicht falsch. Ich verstehe die Gründe der Trennung. Wie viel Mut es gekostet haben muss, diesen Schritt zu gehen. Und ich sehe auch, dass es beide Seiten weiter gebracht hat. Dass es der richtige Schritt war.
Aber dann gibt es eben manchmal dieses stechende Gefühl in der Brust und die Gewissheit, dass es nicht mehr so ist wie früher. Dass ich dieses Haus, in dem ich aufgewachsen bin nicht mehr besuchen kann. Dass wir nicht mehr gemeinsam Weihnachten feiern und Lieder singen. Dass etwas unvollständig ist.
Und dann fühlt man sich als Scheidungskind sehr zerbrechlich, obwohl man doch eigentlich erwachsen ist und sein eigenes Leben führt.
Ich bin sehr froh, dass ich mit meinem Lieblingsmenschen eine so starke Konstante in meinem Leben habe und danke ihm dafür stets aufs Neue. Auch wenn es über das starke Gefühl, etwas verloren zu haben, nicht gänzlich hinwegtäuschen kann, so lindert die Gewissheit, ihn an meiner Seite zu wissen, den Schmerz.
Nun, der heutige Post klingt recht melancholisch. Um euch den Sonntagabend nicht vollkommen zu vermiesen, verrate ich euch mein Rezept, wie ich es dennoch ertragen kann.
Ende März fuhr ich alleine für ein paar Tage in die Heimat. Ich hatte Urlaub und wollte die Tage voll ausnutzen. Ich war wie immer viel unterwegs. Zu Besuchen, Treffen, Spaziergängen und für Fotoshootings. Ich lichtete jedoch nicht nur KundInnen ab, sondern auch wieder einmal mich selbst. Ich lief durch meinen Wald, suchte die altbekannten Plätze auf, baute mein Kameraequipment auf und begann Fotos zu schießen. Und ergattere mir so ein kleines Stückchen Heimat zurück.
2 Kommentare:
Das hat mich gerade fast zu Tränen gerührt, liebe Katja! <3
Ach Vivien, ich wollte nicht deine Stimmung trüben. Aber das Geschriebene bringt sehr gut auf dem Punkt, wie es mir manchmal mit der Situation geht.
Ich danke dir ganz sehr, dass du dir die Zeit genommen hast, es zu lesen und mir zu schreiben <3
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